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Akademiegepräch im Landtag:

22.2.2019 |

„Zukunftsdörfer. Digitalisierung als Chance für den ländlichen Raum“

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09.04.2019 | München  Am Dienstag 9. April 2019 luden Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung zu einem Akademiegespräch in den Bayerischen Landtag nach München ein. Unter dem Titel „Zukunftsdörfer. Digitalisierung als Chance für den ländlichen Raum“ loten zwei Expertinnen für ländliche Regionen, Prof. Dr. Diane Ahrens, Technische Hochschule Deggendorf, Technologie Campus Grafenau, und Dr. Anne Margarian, Johann Heinrich von Thünen-Institut für Ländliche Räume, Braunschweig die Chancen der Digitalisierung für die vielfältigen ländlichen Regionen Bayerns aus.

Mitten im Bayerischen Wald entsteht seit einigen Jahren ein Stück Zukunft: ein Digitales Dorf. Bildschirme, Apps und Breitbandanschluss sollen das Leben hier so lebenswert machen wie in der Stadt – um alten Menschen das Bleiben zu erleichtern und junge wieder aus den Städten zurück zu holen. Diane Ahrens ist das beste Beispiel dafür, dass das Land auch für Akademiker unterhalb des Rentenalters attraktiv sein kann. Sie leitet den Technologie Campus Grafenau der Technischen Hochschule Deggendorf und verantwortet den Modellversuch „Digitales Dorf“. Im Rahmen dessen begleitet Ahrens zusammen mit ihrem Team am TC Grafenau ländliche Räume in Bayern auf ihrem Weg in die digitale Zukunft. Zu den Pilotregionen des Modellprojektes gehören neben den beiden Pilotdörfern Spiegelau-Frauenau im Bayerischen Wald inzwischen zwei weitere Modellregionen im Chiemgau und im Allgäu.

Zwar können digitale Anwendungen das Leben auf dem Lande erleichtern und unkomplizierter machen, alle Probleme kann aber auch die beste App nicht lösen. „Digitale Angebote müssen mit stationären verknüpft werden.” Gemeindehäuser in verwaisten Gaststätten oder Ladenlokalen in der Ortsmitte könnten sich zur analogen Zentrale der digitalen Ortschaften entwickeln. Dort könnten Mitarbeiter verschiedenster Unternehmen und Behörden in Co-Working-Spaces zusammensitzen, um sich das Pendeln zu ersparen. Kinder und Alte würden im gleichen Gebäude betreut werden oder zum gemeinsamen Mittagessen zusammenkommen. Und falls es Supermärkte nur noch in abgelegenen Gewerbegebieten gäbe, würden ins Gemeindehaus bestellte Lebensmittel geliefert werden. Es bedarf, laut Ahrens „die Dörfer der Zukunft ganzheitlich zu betrachten und alle Lebensbereiche einzubinden.“

Auch Anne Margarian vom Johann Heinrich von Thünen-Institut für Ländliche Räume in Braunschweig glaubt, dass Digitalisierung allein noch keine Zukunft macht. „Entscheidend ist der kreative Umgang mit digitalen Technologien. Jede Kommunalverwaltung muss eigene Lösungen für die Probleme im jeweiligen Ort entwickeln. Die ländlichen Räume in Deutschland sind sehr unterschiedlich”, sagt sie. Was im Norden gut funktioniere, müsse im Süden nicht automatisch gut ankommen. Das gleiche gilt für Ost und West. Ein staatlich gefördertes Grundgerüst, beispielsweise für Rathaus-Apps, sei zwar sinnvoll. „Aber je fertiger die Produkte sind, desto weniger kreativ arbeiten die Gemeinden damit”, erklärt Margarian.

Diane Ahrens wünscht sich für die Zukunft mehr Geld für die Kommunen, um die digitale Infrastruktur auszubauen, mehr IT-Kompetenz durch entsprechende Ausbildungen vor Ort und einen schnellen Mobilfunkausbau („Versuchen Sie mal im Bayerischen Wald zwischen zwei Orten mit dem Handy zu telefonieren.”). Vor allem seien aber mehr Feldstudien und belastbare Kosten-Nutzen-Analysen wichtig. „Digitale Dörfer lassen sich nicht am Computer erproben. Das geht nur vor Ort und unter Beteiligung der Bürger", sagt Ahrens. Ihre Digitalen Dörfer sind deshalb „living labs”, in denen getestet wird, wie digitale Technologien das Leben auf dem Land erleichtern können. Gerade jetzt, wo Großstädte immer teurer und voller werden, sei ein guter Zeitpunkt, ländliche Räume zu stärken. „Je mehr Menschen wir dort halten können, desto weniger Probleme haben wir in Städten”, so Ahrens' Fazit.

Deshalb ist es auch nicht paradox, dass der ländliche Raum ausgerechnet in der Metropole München Gesprächsthema ist. „Die Politik muss über die Grenzen der Landeshauptstadt hinausschauen. Gleichwertige Lebensbedingungen in der Stadt und auf dem Land zu schaffen ist der Kern der politischen Agenda des Bayerischen Landtags", sagt Akademiedirektorin Ursula Münch.

Bild: Akademiegespräch mit (v.r.): Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Dr. Anne Margarian, Prof. Dr. Diane Ahrens und Prof. Dr. Ursula Münch | Bildarchiv Bayerischer Landtag Foto Rolf Poss